Rechtlicher Schutz von Innovation bei KI-Systemen

Künstliche Intelligenz (KI) und Schutzrechte an ihr werden ökonomisch immer wichtiger. Ihre Bedeutung kommt der klassischer Software gleich, und auch rechtlich lässt sich an die Behandlung von Software anknüpfen. Ansatzpunkte geben etwa urheberrechtlicher Softwareschutz und Softwarepatente, angesichts von deren Kosten und Schwierigkeiten liegt jedoch vor allem Geschäftsgeheimnisschutz nah. Konkret gilt:

  • Patentschutz ist möglich, allerdings müssen sich die mathematischen und logischen Vorgaben physikalisch-technisch auswirken, d.h. die Software braucht eine Kombination mit Hardware – und in der Kombination muss eine neue Erfindung liegen (reine neue Berechnungsformeln etwa reichen nicht).
  • Urheberrechtsschutz greift zwar den Softwarecode auf, nicht jedoch die geistig-strukturelle Konzeption des Systems sowie sein Training, urheberrechtlicher Schutz greift insofern regelmäßig zu kurz.
  • In etlichen Fällen sind deshalb die Behandlung und der Schutz als Geschäftsgeheimnis die wirkungsvollste Maßnahme.
  • Verträge können ein effektives Mittel sein, um den gesetzlichen (Geschäfts-)Geheimnisschutz zu flankieren.

Gesetzlicher Schutz von Innovation in Form neuer KI-Systeme

Innovation wird häufig durch geeignete Anreize ausgelöst, etwa durch wirtschaftliche Vorteile. Wohl deshalb entstanden schon im Venedig des 15. Jahrhunderts Patente, die in großer Breite in Europa dann spätestens im 18. Jahrhundert einen rechtlichen Schutz von Innovation ermöglichten. Die Grundzüge bestehen bis heute fort: Einzelne können auf eine technische Lösung ein Monopol erlangen – allerdings auf einen konkreten Bereich eingeschränkt – ein Patent ist eben nicht so wie eine Sache greifbar; es wird rechtlich umrissen, indem das Gesetz ihm einen begrenzter Schutzumfang zuweist.

Aus diesem Rahmen ergeben sich die Fragestellungen, die dieser Artikel aufgreift: Innovation ist nicht per se rechtlich geschützt, vielmehr greifen unterschiedliche Rechte des sogenannten "geistigen Eigentums". Dieser Begriff führt durch den Bezug zum Sacheigentum häufig zur Fehlannahme eines sehr breiten und umfassenden Schutzes – doch sind hier nur Einzelbereiche geschützt: Design(patent)schutz, Markenschutz, technischer Patentschutz, Urheberrechtsschutz beispielsweise, ebenso wie Geschäftsgeheimnisschutz. Solche Schutzrechte sind in signifikanten Teilen durch internationale Abkommen festgelegt. Beispiele dafür sind bei Patenten etwa das "Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums" (TRIPS) und das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ). Die einzelnen Rechtsordnungen konkretisieren diese internationalen Abkommen dann in Hinblick auf die Details. Dadurch ergeben sich dann auch Schutzunterschiede in den einzelnen Ländern. In Registern geführte Rechte müssen pro Rechtsordnung getrennt beantragt werden.

Im Folgenden stelle ich kurz vor, inwiefern sich die einzelnen Rechte zum Schutz von KI-Systemen eignen und gebe einen rechtspolitischen Ausblick sowie eine Handlungsempfehlung für Unternehmen.

Patentschutz

Patentschutz wird (im Gegenzug für deren Offenbarung) für technische Erfindungen erteilt, soweit diese Erfindungen neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind (§ 1 Abs. 1 PatG) und keine Ausschlussgründe greifen – solche greifen etwa für wissenschaftliche Theorien und mathematische Modelle und etliche Regelsätze (vgl. § 1 Abs. 3 PatG). Patentschutz für KI-Systeme erscheint auf den ersten Blick problematisch, denn KI-Systeme stellen sich noch abstrakter dar als schlichte Software, bei der Patentschutz schon häufig als problematisch gilt.

Doch sind in der Praxis sowohl im europäischen Rechtsraum wie auch in den Vereinigten Staaten auf Seiten der Patentbehörden klare Bestrebungen ersichtlich, auch Software einschließlich KI-Systemen weitestmöglich Patentschutz zu Gute kommen zu lassen. KI-Systeme sind "als solche" zwar nicht patentfähig, können jedoch in der konkreten Umsetzung schutzfähig werden. Um mit einer entsprechenden Anmeldung erfolgreich zu sein, ist es erforderlich, dass die Erfindung technischer Natur ist, sich auf eine gezielte Anwendung von Naturkräften bezieht; dann erschöpft sich die Erfindung auch nicht in abstrakten Konzepten oder etwa einem mathematischen Modell, sondern wirkt technisch. Dies ist auch für Software möglich: Algorithmen und Modelle sind zwar abstrakt/mathematisch, doch kann ihre Anwendung im Einzelfall technisch geprägt sein. Für den Patentschutz kritisch ist, inwiefern genau diese technische Anwendung eine neue Erfindung darstellt. Es stellt sich die Frage, ob gerade auch der neue Teil der Erfindung technischer Natur ist. Dies dürfte praktisch häufig eine große Herausforderung darstellen; ob sich diese Hürde im konkreten Fall überspringen lässt, wird in der Regel fraglich und nur mit Fachleuten klärbar sein.

Patentschutz wird für einzelne Rechtsordnungen gewährt. Nach der Anmeldung in einem Jahr wird eine "Schonfrist" für die Anmeldung in weiteren Ländern gewährt – die sogenannte Prioritätsfrist: wird innerhalb dieser Frist ein entsprechender Antrag in einem weiteren Land gestellt, gilt das ursprüngliche Anmeldedatum. Das Patent hat somit Priorität gegenüber anderen zwischenzeitlichen Anmeldungen (und gilt damit als vor der zwischenzeitlichen Anmeldung beantragt).

Ein vergleichsweise einfaches neuronales Netz und eine Implementierung eines nur wenig größeren Netzes in der Sprache MatLab. Einfache Netze lassen sich in den passenden Sprachen mit wenigen Anweisungen aufbauen. Das Training erfordert allerdings trotzdem merklichen Aufwand. Diese Beispiele würden die Anforderungen an Neuheit zweifelsfrei verfehlen. Die Darstellung des neuronalen Netzes selbst im rechten Teil des Bildes ist aus Hauck/Cevc, ZGE 2019, 137-169, übernommen.

Urheberrechtlicher Schutz der Trainingsdatenbestände

Eine Datenbank, etwa die Sammlung von Trainingsdatenbeständen, kann je nach Ausgestaltung, dem Vorgehen ihres Aufbaus, ihrer Struktur, der dazugehörigen Routinen und ihrer Umsetzung geschützt sein. Das Gesetz schützt hier die Investition auf den genannten Gebieten, wobei wiederum einige konkrete Voraussetzungen einzuhalten sind.

Für Trainingsdaten lassen sich die Schutz-Voraussetzungen häufig bejahen. Praktisch wichtig ist, inwiefern im Fall des Falls eine Verletzung nachgewiesen werden kann. So kann über (bewusst fehlerhafte) Marker-Einträge oder "virtuelle Wasserzeichen" nachgedacht werden, wie sie etwa auch für Implementierungen von Maschinenlernmodellen schon von der Wissenschaft aufgezeigt wurden. Wie dies konkret aussieht, ist stark vom Einzelfall abhängig, wir sehen eine derart große Breite der Wege zu entsprechenden Trainingsdaten, dass wir nur in Hinblick auf konkrete Geschäftsmodelle nähere Anregungen geben können.

Urheberrechtlicher Schutz der Modelle und deren Implementierung

Die konkrete Implementierung der Algorithmen wird regelmäßig urheberrechtlich als Software geschützt sein – dies hilft jedoch nicht als Schutz vor einer erneuten Implementierung des selben Algorithmus. Ebenso wenig wie die Implementierung dürften die trainierten Modelle als solche schutzfähig sein – denn es dürfte hier regelmäßig an der geistigen Schöpfung fehlen. Im Ergebnis wird auch die Parametrierung wohl nicht unter den Datenbankschutz fallen – zumal den einzelnen isolierten Parametern die Nützlichkeit fehlt, die Parameter mithin im gesetzlichen Sinn nicht ausreichend unabhängig sind. Daraus folgt, dass der urheberrechtliche Softwareschutz im Hinblick auf Lösungen des maschinellen Lernens wohl nicht als ausreichend zum Schutz der Innovation gewertet werden muss.

Das Urheberrecht schützt also nur einen Teil relevanter "Zutaten" eines KI-Systems, konkret die durch den Entwickler selbst vorgenommene "Programmierung" des Modells und die dazugehörige Umsetzung der Algorithmen, also die Programmanweisungen, mit denen er das Modell und die Algorithmen umsetzt. Die häufig noch größere Investition in das Training und die daraus resultierende Parametrierung wird urheberrechtlich nicht geschützt – nur die wiederum manuell vorgenommenen Anpassungen am Programmcode sind dem Schutz zugänglich.

Generell nach Urheberrecht nicht geschützt sind die abstrakten Beschreibungen, etwa des Modells oder eines Algorithmus.

Geschäftsgeheimnisschutz

Der Geschäftsgeheimnisschutz greift hingegen – bei richtiger Umsetzung – sehr weitgehend. Wichtig hierbei ist, dass adäquate Schutzmaßnahmen umgesetzt werden, und zwar auf organisatorischer, technischer und rechtlicher Seite. Alle drei Elemente sind auch erforderlich, um sich rechtlich auf den Schutz als Geschäftsgeheimnis berufen zu können.

Konkret sollte zunächst identifiziert werden, was die besonders schützenswerten Kern-Inhalte sind, und die Zahl der Personen mit Zugriff auf diese Inhalte sollte beschränkt werden. Es müssen technisch sinnvolle Schutzmechanismen installiert werden (Authentifizierung und Autorisierung, Verschlüsselung und weitere Maßnahmen). Diese Sicherungsmechanismen haben den Vorteil, direkt zu wirken, sie helfen Verluste zu verhindern, etwa auch in Rechtsordnungen, in denen man keine Prozesse führen möchte.

In rechtlicher Hinsicht sollten in allen Verträgen entsprechende Vorgaben zur zulässigen Nutzung und ein Verbot etwa des reverse engineering und des automatisierten Auslesens vereinbart werden. Zwar kann eine solcher Vertrag nicht verhindern, dass etwa mit einem API ein technisches Auslesen erfolgt (das nach derzeitigen Erkenntnissen durchaus möglich erscheint), doch hilft eine vertragliche Vereinbarung, um nach den bestehenden rechtlichen Vorgaben gerichtlich gegen die auslesende Person Vorzugehen.

Schutz von durch KI-Systeme erschaffene Ergebnisse

Immer wieder kommt die Diskussion auf, ob die Ergebnisse einer KI schutzfähig sind. Dies kann kommerziell einen großen Wert bilden – etwa, wenn ein Algorithmus nach der Analyse großer Mengen von Liedern und Hörgewohnheiten den neuen Sommerhit erstellt. Das Gesetz betrachtet dies ganz pragmatisch: geistige Eigentumsrechte können nur rechtsfähige Subjekte erlangen, und das sind Computer und KI-Systeme nicht. Ob der Betreiber des Systems hieran Rechte erlangen kann, hängt davon ab, ob das System ein Werkzeug des Urhebers ist, der eine eigene geistige Schöpfung aufbringt (ähnlich wie das Klavier, auf dem die Komponistin während ihres kreativen Prozesses spielt, und ähnlich wie der Fotoapparat, den der Fotograf nutzt, um das nächst fotografische Werk zu schaffen) oder ob das System autonom arbeitet – in letzterem Fall würde der Schutz versagt, denn es fehlt an einem Schöpfer.

Man mag an eine Parallele zu den bekannten Affen-Selfies ziehen: hier haben Gerichte entschieden, dass der Fotograf, der mit seinem Gerät bei einem Affen war und der Affe das Gerät zum Knipsen eines Selfies nutzte, keine Nutzungsrechte hat – er hat das Bild eben nicht selbst erschaffen. Das Bild ist also im angelsächsischen Wortsinn "public domain", also ein rein öffentliches Gut und damit frei verwendbar – denn der Affe selbst kann als Tier keine Rechte des geistigen Eigentums geltend machen (so wie er auch physisches Eigentum nach unserem Rechtsverständnis nicht erwerben kann). Das Gesetz stellt hier also die Computerintelligenz der natürlichen gleich – wenn auch nicht der menschlichen.

Rechtspolitischer Ausblick

Die Patentbehörden (insbesondere das Europäische Patentamt sowie das United States Patent and Trademark Office) geben sich sichtlich offen gegenüber der Patentierbarkeit von softwaregestützten Systemen, inklusive oder gar ausdrücklich auch von KI-Systemen. In der Umsetzung gilt es jedoch, Hürden zu meistern.

Für kleinere Unternehmen stellt sich ohnehin häufig schon angesichts der finanziellen Mittel die Frage, ob ein Patentschutz überhaupt in Frage kommt, oder ob andere Wege des Schutzes vorgezogen werden. Angesichts dessen, dass gerade auch kleinere Unternehmen häufig zu den innovativsten gehören und hier schon allein die Kosten zur Prüfung der Patentlage und Sicherstellung der Betriebsfähigkeit (Freedom to Operate – FTO) gewichtig sein können, sollte bei Anpassungen der gesetzlichen Lage intensiv geprüft werden, ob das mutmaßlich innovationsförderliche System wirklich die Innovation fördert. Die Schutzzyklen der Patente und der Urheberrechte sind ohnehin verglichen mit dem Innovationszyklus in der IT-Welt sehr lang geworden und überdauern mehrere Produktzyklen – hier sollte auch geprüft werden, ob nicht sinnvollerweise diese Schutzdauer reduziert werden sollte.

Patente an Entwicklungen durch KI-Systeme existieren derzeit nicht, würden aber auch nur sinnvoll erscheinen, wenn KI-Systemen eine Persönlichkeit zugesprochen würde – dies steht weder aktuell im Raum, noch ist es sinnvoll. Ein akuter Anpassungsdruck besteht insofern nicht. Dies gilt umso mehr, zumal es auch im System des Schutzes geistiger Eigentumsrechte konsistent ist, da die relevanten Schutzrechte alle eine geistige Schöpfung (also Kreativität) erfordern – zu einer solchen sind heutige KI-Systeme aber gerade nicht in der Lage. Andererseits können die Ergebnisse ohnehin schon den Schutz als Geschäftsgeheimnisse genießen, wenn entsprechende Maßnahmen genutzt werden. Gesetzgeberischer Prüfungsbedarf besteht höchstens in Hinblick darauf, ob die Schutzdauern zu lang sind und inwiefern KMU adäquat am Patentsystem partizipieren können.

Empfohlenes Vorgehen

Um festzustellen, mit welchen Mechanismen eine gewisse (KI-)Entwicklung besonders gut geschützt wird, sind mehrere Bewertungen notwendig:

  • Soll das KI-System selbst oder seine Ausgabe geschützt werden?
  • Welchen Wert hat die Technologie (finanziell und als Wettbewerbsvorteil)?
  • In welchem Teil der Technologie liegt die Innovation, in welchem ein großes Investment (wo ist die Technologie speziell wertvoll und einzigartig)?
  • Wie schwierig ist ein "Plagiat der Lösung"? Welche Teile sind einfach, welche sind schwierig, und wo liegen die technischen Herausforderungen?
  • Welche Teile müssten zur Beschreibung eines Patentanspruchs offengelegt werden (vereinfacht gesprochen: was ist die neue technische Lösung – sie muss nachvollziehbar beschrieben werden)?
  • Liegen in Bezug auf die vorangegangenen Fragen Besonderheiten hinsichtlich der einzelnen Elemente des Systems vor (Modellaufbau, Trainingsalgorithmus, Trainingsdaten, trainiertes Modell, Anwendungsalgorithmus)?
  • Was sind die relevanten Märkte und erwarteten Umsatzanteile (idealerweise auch mögliche Umsätze)?
  • Wer kommt direkt mit dem technologischen Teil der Lösung in Kontakt?

Diese Bewertung hilft den Schutzweg festzustellen, etwa ob Patentschutz begehrt werden soll, ob man den Schutz auf urheberrechtliche Vorschriften stützt oder ob die Entwicklung als Geschäftsgeheimnis ausreichend geschützt ist.

Um eine Analyse der Technologie zu erschweren dürfte es in den meisten Fällen unabhängig von der Bewertung sinnvoll sein, die Schnittstellen vertraglich abzusichern und insofern die Nutzung auf bestimmte legitime Zwecke zu beschränken. Selbst wenn etwa ein Patent begehrt und erwirkt wird, so deckt dies in aller Regel nur einen Teil der Lösung ab; die übrigen Teile können in Maßen als Geschäftsgeheimnisse auch in ihrem Wert geschützt werden.

Bewertungswerkzeug und Beratung

Ein vereinfachtes Werkzeug hierzu biete ich in Form eines Dokuments zum Eintragen zum Download an; auf Basis der dort gemachten Angaben kann im Gespräch mit Fachleuten der geschickteste Weg gewählt werden.

Download Bewertungsübersicht

Gerne unterstützten wir Sie bei der Bewertung, nach welchen Rechtsinstrumenten ein Schutz am sinnvollsten ist und bei der Formulierung und Verhandlung entsprechender vertraglicher Regelungen. Sprechen Sie uns an.

Hinweis

Rechtsanwalt Baltasar Cevc ist einer der beiden Autoren des Beitrags "Patentschutz für Systeme Künstlicher Intelligenz?", erschienen in der (Fach-)Zeitschrift für Geistiges Eigentum/Intellectual Property Journal, 2019, 137-169 (Band 2 Jahrgang 11). Dieser Beitrag greift einige Inhalte aus diesem Fachartikel auf und stellt Geschäftsaspekte in Kernaspekten dar, jedoch ist die Darstellung hier auf die Geschäftsperspektive orientiert und gibt die rechtlichen Erwägungen nicht umfassend wieder. Ferner sind Teile dieses Beitrags auch gänzlich unabhängig vom genannten Artikel.
Die Darstellung kann keine Rechtsberatung im Einzelfall ersetzen, sie dient lediglich der ersten groben Orientierung.